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Nachhaltige Firmen – mal echt, mal heuchlerisch - infosperber

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«Sie können sich gerne unsere neuen Kaffeemaschinen anschauen», sagte der Fachmann, der mir gegenüber an der Werkbank sass. Er betonte auch, dass man mir einen Rabatt auf eine neue geben könne, wenn ich die alte Maschine dalasse. Dann fügte er bei: «Aber die kosten immer noch mindestens das Doppelte des Angebots, das wir Ihnen hier für Reparatur und Revision machen können.» Ich war einigermassen erstaunt, sagte aber noch: «Und man sollte ja auch nicht alles immer gleich wegwerfen.» Das sei schon so, meinte der Ingenieur. Und ich entschied mich für Reparatur und Revision zur «verbindlichen Kostenangabe» von 320 Franken und 5 Rappen.

11’957 Tassen Kaffee in 14 Jahren

Das war Mitte November in der «Jura»-Fabrik an der Autobahn A1 in Niederbuchsiten (SO). Meine Jura Impressa C5, die ich schon im Büro meiner Einzelfirma jahrelang eifrig benutzt – und dann vor fünf Jahren einfach mit nach Hause genommen und auf den Küchentisch gestellt hatte, war drei Tage zuvor ausgefallen: Sie machte nur noch lauwarmen Kaffee, der irgendwo an der Auslaufdüse vorbei mühsam in die Tasse tropfte. Gut: Da waren oben links und rechts zwei Imbus-Schräubchen, wo man die Maschine sicher würde aufmachen und schauen können, wo das Problem wohl liege.

Ich getraute mich aber nicht – weil dabei oft leicht noch weiterer Schaden entstehen kann. Ich packte das Gerät darum kurzerhand in den Kofferraum des Autos und brachte es direkt «zu Jura» in die Fabrik. Und weil ich nichts anderes erwartete, als dass halt nun mal eine neue Maschine fällig werde, hatte ich auch gleich reichlich Bargeld mitgenommen.

In einer hell erleuchteten Eingangshalle wurde ich sofort nett in Empfang und die C5 mir abgenommen. Und obwohl ich völlig unangemeldet spontan erschienen war, hatte ich noch nicht einmal den offerierten Kaffee ausgetrunken, als ich schon zu einem der mehreren «öffentlichen» Werkbänke mit Trennscheibe (genannt «Diagnose-Logen») gerufen wurde, die da in der geräumigen Halle stehen.

Mein lädiertes Gerät wartete neben viel Werkzeug schon auf einer praktischen Drehscheibe. Der Fachmann hinter der Werkbank begrüsste mich, drehte die «Patientin» auf der Scheibe munter rund herum – und begutachtete sie von allen Seiten. Dann schloss er die Maschine über ein Kabel an seinen Computer an – und meine Befürchtungen konkretisierten sich: «Jahrgang 2007», sagte der Spezialist. Und hinter ihm auf einem Bildschirm erschien sogleich die Zahl 11 957. Soviele Tassen Kaffee habe die gute C5 in den 14 Jahren ihres bisherigen Lebens gebraut und ausgegeben, wurde ich instruiert – und wartete nun erst recht auf den in solchen Situationen oft gehörten Satz: «Das lohnt sich nicht mehr!»

Gemeinsamer Blick mit dem Fachmann ins Innere des Kaffeeautomaten

Doch weit gefehlt: «Mal schauen was es da braucht», sagte der Techniker. Mit ein paar gekonnten Handgriffen entblösste er meine Impressa von ihrer schwarzen Verschalung. Dann erklärte er mir ihre Eingeweide von der «Brüheinheit» bis zur «Auslaufhülse» – die eben verstopft sei. Jura ist (laut ihrer Werbung) überzeugt: «Dieser gemeinsame Blick in Ihren Vollautomaten ist auch für Sie interessant.» Das war er. Und eh ich mich versah, hatte der Techniker in seinem Computer schon alles aufgelistet, berechnet und ausgedruckt – für ein neues Leben meiner alten Kaffeemaschine. In drei Tagen könne ich sie um 15 Uhr 15 abholen – mitsamt «Brüheinheit revidiert», mit neuem «Ventilöffnerset komplett» und neuem «Auslaufschieber schwarz».

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Dazu wieder «12 Monate Garantie auf aufgeführte Bauteile». Was vor allem für das Herz jeder Kaffeemaschine wichtig ist, die «Brüheinheit».

Diese wurde dann ohne Aufpreis gleich ersetzt. Die meisten anderen Teile waren noch voll brauchbar: Weit über 90 Prozent der alten Maschine werden so weiterverwendet – statt «entsorgt» und verschwendet. Dabei finden sich auf der Jura-Website kaum vollmundige Umwelt- oder Nachhaltigkeits-Bekenntnisse. Die weltberühmten Kaffee-Spezialisten aus dem Solothurnischen tun dies einfach.

Nike zerstört brandneue Turnschuhe zu Tausenden

Ganz anders der Turnschuhhersteller Nike, wie die ARD-Sendung «Panorama» kürzlich enthüllte: Der Weltkonzern lancierte ein gross propagiertes Recycling-Programm und beschäftigt sogar einen «Nachhaltigkeitschef» namens Noel Kinder. Der sprach gegenüber pfiffigen ARD-Rechercheuren am Rande der Glasgow-Konferenz von einem Programm, mit dem Nike «alte noch gute Turnschuhe sammle, reinige und wiederverkaufe». Das sei eben Nikes «Refurbish-Programm».

Sehr alte Turnschuhe würden zudem geschreddert und das Material für Bodenbeläge wiederverwendet, verspricht die Firma. In Nike-Läden stehen effektiv grosse Karton-Schachteln mit der Aufschrift «Recyle Deine alten Schuhe», in welche die Kundschaft gebrauchte Ware werfen kann. Das taten die ARD-Journalisten auch – aber mit einem getürkten Turnschuh, in den sie einen GPS-Tracker eingebaut hatten. Dessen Signal folgten sie dann bis zu einer Schredder-Firma in Herenthaut (Belgien). Und dann der Schock: In der Halle mit der Schredder-Maschine sahen sie kaum alte Schuhe. Dafür unzählige Cartons mit Tausenden Paaren neuer, ungebrauchter Nike-«Sneakers». Ein Arbeiter an der Maschine bestätigte, dass hier im Auftrag von Nike vor allem nagelneue Schuhe zerstört würden.

Online-Shopping und Mode-Wahnsinn fördern Neuwaren-Vernichtung

Jetzt bestellten die schlauen Rechercheure ein Paar neue Nike-Schuhe online, präparierten auch sie mit einem Sender und schickten sie an Nike zurück. Und siehe da: Nach ein paar Tagen bewegte sich der neue Turnschuh aus Deutschland zurück in die Nike-Versandzentrale in Belgien. Von dort ging er jedoch kurz darauf weiter – in die genau gleiche Schuh-Schredder-Halle im belgischen Herenthaut. Dort zeigten ihnen die Verantwortlichen die ihren Schredder «vor allem für Nike» laufen lassen, dann stapelweise neue, ungetragen Schuhe, die sie zu Tausenden vernichten.

Fachleute begründen diesen Wahnsinn in dem TV-Dokument so: Ungebrauchte «Retouren» des Versandhandels neu zu registrieren, zu lagern und wieder in den Verkauf zu bringen – das lohne sich eben nicht. Zudem drehe der ganze Mode-Wahn heute so schnell, dass nicht einmal ein Jahr alte Schuh-Modelle eine «Saison» später kurzerhand weg müssten – um im Regal Platz zu machen für neu «angesagte» Kollektionen.

Damit erfüllt die offizielle Recycling-Propaganda des Weltkonzerns Nike genau den Tatbestand eines in Glasgow oft gehörten Wortes: «Greenwashing». Das heisst in etwa «einen schönen grünen Schein erwecken». Also: Das Schaufenster der Firma im «Show-Room» vorne üppig grün dekorieren – und gleichzeitig im Lager hinten klammheimlich die grössten Umwelt-Sauereien weiterpraktizieren. Neue Waren zu vernichten, steht in Deutschland sogar unter Strafe.

Jura macht es umgekehrt: Da werden im Schaufenster vorne – in der «offenen Architektur der Service-Fabrik» (Jura über Jura) – uralte Maschinen ohne viel Aufhebens repariert, «refurbished», und so Nachhaltigkeit praktiziert. Schon einen Tag später kam ein SMS aus Niederbuchsiten: «Geschätzter Kunde, der Service an Ihrem Gerät ist ausgeführt. Es steht zur Abholung bereit.»

Der beste Umweltschutz heisst: «Reparieren statt investieren!»

Bereit jetzt auch schon wieder auf dem Küchentisch für weitere 10’000 Tassen Kaffee. Feinen Kaffee mit schönem Schäumchen, wie vor 14 Jahren schon – nach «System Federer» aus frischen Bohnen gemahlen. Und nicht «à la Clooney» aus einer Wegwerf-Kapsel in einem billigen Wegwerf-Gerät gebrüht. Das ist Umweltschutz. Dass die soliden Maschinen auch nach weit über zehn Jahren Gebrauch noch repariert werden können erst recht. Nachhaltigkeit beginnt mit der Formel: «Reparieren statt investieren!»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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