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Priming: So wirst du unterbewusst manipuliert | BRIGITTE.de

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von Stephanie ErnstDer psychologische Effekt namens Priming beschreibt, wie unsere Wahrnehmung durch Erfahrungen beeinflusst wird. Hier erklären wir, was dahintersteckt.

Dieses Spiel kennst du wahrscheinlich: Jemand sagt einen Begriff und du antwortest mit dem ersten Wort, das dir dazu einfällt. Zum Beispiel Tisch – darauf würden wahrscheinlich viele von uns "Stuhl" kontern. Und hier beginnt bereits ein sehr interessantes Feld der Psychologie, das sich Priming, oder auch "Priming-Effekt", nennt. Übersetzen könnte man es mit dem deutschen Wort "Vorbereitung". Und genau das tut unser Denkapparat: Er nutzt Assoziationen, also Erfahrungswerte, damit wir eine Situation schneller einordnen können – um uns darauf "vorzubereiten". Das geschieht meist ganz unterbewusst und ohne Anstrengung.

Priming: Was ist das genau?

Wissenschaftlich ausgedrückt wird unter Priming die Beeinflussung der Verarbeitung eines Reizes bezeichnet. Reize können zum Beispiel Worte, Bilder, Gesten oder Gerüche sein. Einfach ausgedrückt: Vorerfahrungen verändern unsere Wahrnehmung. Das klingt etwas komplex, aber tatsächlich begegnet uns Priming überall im Alltag: in Beziehungen, im Job, aber auch beim Einkaufen.

Wir alle kennen den Spruch "Der erste Eindruck zählt". Auch dieses Phänomen beruht auf Priming und bestimmten Assoziationen, die wir mit bestimmten Verhaltensweisen und Eigenschaften verknüpfen. So wird die unförmige Tomate eher liegen gelassen. Und trägt jemand verschmutzte Schuhe, schreiben wir ihm unterbewusst Unsauberkeit und Unordnung zu.

Die Schwierigkeit: Priming macht uns beeinflussbar und Priming ist nicht immer richtig: auch unförmige Tomaten können hervorragend schmecken und dreckige Schuhe bedeuten nicht zwangsläufig, dass die Wohnung ebenso unsauber aussieht.

Im Marketing wird ganz besonders heftig mit unseren Assoziationen rund um Farben, Formen und Gefühlen gespielt, um das Kaufverhalten positiv zu beeinflussen. Welche Auswirkungen Priming auf unser Verhalten und unsere Entscheidungen hat, konnte schon durch einige Studien belegt werden.

Zwei Studien, die den Priming-Effekt belegen

Der Priming-Effekt konnten Wissenschaftler bereits einige Studien belegen. Zum Beispiel durch diese aus dem Jahr 2012: Ein Mann sollte herausfinden, wo es am einfachsten ist, die Telefonnummer von einer fremden Frau zu ergattern. Er stellte sich dafür in einer amerikanischen Shoppingmall vor drei verschiedene Geschäfte: Ein Schuhgeschäft, ein Bäcker und ein Blumengeschäft. Und wo hatte er wohl am meisten Erfolg? Natürlich dann, als er Frauen vor dem Blumengeschäft ansprach. Rosen assoziieren wir mit Romantik und Liebe – das hatte seine Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit unterstrichen.

Eine weitere Studie konnte besonders eindrucksvoll zeigen, wie unser Kaufverhalten durch den Priming-Effekt gelenkt wird. Dazu baute ein Online-Möbelstore zwei verschiedene Landingpages (die erste Seite, die man auf einer Website sieht) auf. Bei der ersten Variante wurden Couches mit einem hübschen Wolken-Hintergrund gezeigt. Website-Besucher wurden anschließend gefragt, worauf sie beim Möbelkauf achten. Sie nannten vorrangig Komfort und verbrachten auf der Seite viel Zeit damit, nach Komfort-Bewertungen zu suchen. Zum Schluss kauften sie tatsächlich vor allem die Möbel, die einen hohen Komfort-Level versprachen.

Für den zweiten Test wurden die gleichen Couches auf der Landingpage gezeigt, allerdings mit einem Hintergrund, in dem Münzen zu sehen waren. Neue Websitebesucher setzten laut Befragung einen ganz anderen Schwerpunkt beim Kaufen: die Kosten. Sie gaben an, dass der Preis der ausschlaggebende Kaufgrund ist (nicht Komfort, wie bei der Vergleichsgruppe), suchten im Onlinestore vorrangig nach Informationen über Preise und kauften anschließend das günstigste Exemplar.

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Was diese Studien belegen

Lenkte man den Fokus auf Wolken, war Komfort das Hauptaugenmerk. Lenkte man den Fokus hingegen auf Münzen, rückte der Preis in den Vordergrund. Obwohl die gezeigten Couches genau die gleichen waren, fiel die Einschätzung der Website-Besucher völlig anders aus. Die Elemente des Hintergrundes hatten ihre Wahrnehmung beeinflusst.

Der Grund dafür ist unsere Erfahrung, auf der Assoziationen beruhen: Wir haben gelernt, dass Münzen Geld symbolisieren und erinnern uns an die fluffige Form von Wolken. Diese Eindrücke verknüpfen wir dann mit der neuen Situation – ganz automatisch, ganz unterbewusst. Das verändert nicht nur die Wahrnehmung der Gegenstände an sich, sondern beeinflusst auch, welche Relevanz diese Gegenstände für uns haben. Ob wir wollen oder nicht, unsere Umgebung beeinflusst maßgeblich, wie wir Situationen, Personen oder – in diesem Fall – Gegenstände einschätzen.

Priming in Beziehungen

Priming hat auch enorme Auswirkung auf zwischenmenschlicher Ebene. Ob Freundschaft, Partnerschaft oder berufliche Beziehung: Auch hier beeinflusst unsere Vergangenheit, wie wir Situationen wahrnehmen. Und auch hier können wir gelenkt werden.

Wer zum Beispiel unter starker Eifersucht leidet, kennt das Problem: Ein fehlender Anruf, der Partner oder die Partnerin kommt zu spät und zack – schon ist dieses Bauchgefühl da. Sachlich betrachtet bedeutet das nicht gleich Untreue, aber durch die Erfahrung ist die Assoziation sofort da.

Oder was, wenn eine gute Freundin das gleiche Parfum trägt, wie eine gemeine Kollegin? Dann bist du geprimt – für dich wird das Parfum nie gut riechen, denn du assoziierst damit Negatives. Wir alle kennen vielleicht auch die Situation, in denen wir bestimmte Namen mit positiven oder negativen Eigenschaftenverbinden – weil wir eine Person kannten, die sich entsprechend verhalten hat. Auch dahinter verbirgt sich der Priming-Effekt.

Priming: Diese Tücken bringt der Effekt mit sich

Priming ist ein universeller Effekt, der bei jedem Menschen auftritt. Unterschiede im Ausmaß ergeben sich natürlich durch die individuellen Erfahrungen, die uns unterschiedlich geprägt haben. Aber ganz entziehen können wir uns dem Priming-Effekt nicht – dazu müssten wir alle unsere Erfahrungen ausradieren, die wir bis zum heutigen Zeitpunkt gemacht haben.

Priming bewirkt, dass wir Neues schneller einschätzen können – macht uns allerdings auch sehr manipulierbar. Und das bewirkt wiederum, dass wir in Situationen nicht wirklich objektiv und sachlich bleiben können und die Lage verzerrt wahrnehmen. Dadurch fällen wir manchmal Entscheidungen, die nicht optimal sind.

Was wir allerdings tun können, ist uns diesen Effekt bewusst zu machen. Priming läuft automatisch ab – um gegenzusteuern, müssen wir "manuell" nachhelfen und versuchen, Situationen ganz nüchtern zu analysieren. Sich hier und jetzt bewusst zu machen, dass deine Vergangenheit deine Wahrnehmung beeinflusst, ist schon der erste Schritt!

Wenn dich psychologische Themen interessieren, könnte dich auch die Scanner-Persönlichkeit oder das Thema Quarter Life Crisis interessieren.

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Verwendete Quellen

forbes.com, Cialdini, Robert B. “Pre-suasion: A Revolutionary Way to Influence and Persuade.” , 2016. Print., Guéguen N. "Say it...near the flower shop": further evidence of the effect of flowers on mating. J Soc Psychol. 2012 Sep-Oct;152(5):529-32. doi: 10.1080/00224545.2012.683463. PMID: 22930994.

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